05.08.2022
Daniel Wolfinger

Im Gespräch mit Professor Dr. Peter Fissenewert, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei BUSE

"Es ist überhaupt keine Schande, darüber zu berichten, dass ein Unternehmen in der Krise steckt."

Herr Prof. Fissenewert, Sie sitzen in mehreren Gremien, sind Professor für Wirtschaftsrecht, Anwalt und Buchautor. Welche Rolle spielt Öffentlichkeitsarbeit in einer solchen exponierten Position und wie nutzen Sie diese?

Aus meiner Sicht ist gute Öffentlichkeitsarbeit heute wichtiger denn je. Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist heute eine ganz andere als früher. Ich bin hier ja in verschiedenen Rollen unterwegs, mal als Anwalt, dann wieder als Autor oder Aufsichtsrat etc. Natürlich ist man als Buchautor auch auf die Öffentlichkeit angewiesen. Über das Buch soll ja gesprochen werden und es soll sich im Idealfall möglichst gut verkaufen. Das ist noch relativ einfach.

Als Professor für Wirtschaftsrecht werde ich auch häufig auf wissenschaftlicher Ebene angefragt, sei es in der Auslegung von Gesetzen oder im Vorfeld der Einführung von Gesetzen. Dies ist aber nicht so sehr wahrnehmbar und spielt eher im Verborgenen. Ähnliches gilt für meine Gremien- und Aufsichtsratstätigkeit. Für Anwälte ist das Thema Öffentlichkeitsarbeit viel diffiziler. Der Anwalt ist Organ der Rechtspflege und er ist für seinen Mandanten da. Da werden viele „Strippen im Hintergrund“ gezogen, Absprachen und Vereinbarungen getroffen, die in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben.

Das ist manchmal Stoff für eine Familiensaga oder einen Wirtschaftskrimi, gehört aber – wie gesagt – nicht in die Öffentlichkeit. Andererseits gibt es spektakuläre Abschlüsse und Urteile, die schon für die Öffentlichkeit relevant sind, oder die einfach wegen ihrer Bedeutung von Dritten auch wahrgenommen werden. Da ist es wichtig, dass diese Öffentlichkeit eben auch von einer guten Öffentlichkeitsarbeit begleitet wird. Eine negative Darstellung kann fatale Folgen haben und wie oft erleben wir derzeit, dass einfach auch falsch berichtet wird. Für meine Mandanten arbeite ich viel außerhalb der Öffentlichkeit. Das geht niemanden etwas an. Wenn es aber spannende Sachen gibt, über die es sich zu berichten lohnt, und die Mandanten wünschen dies auch, dann ist es ein guter Teil der Öffentlichkeitsarbeit für Anwälte. Als Anwalt kann man mit guten Argumenten wichtigen Dingen eine neue Wendung geben, neue Anregungen und Inspirationen und möglicherweise dazu beitragen, dass sich Dinge zum Guten ändern.

Sie sind auch Mitgründer und Investor bei einigen Legal Techs. Wie kam es dazu und was genau ist eigentlich ein Legal Tech?

Legal Tech ist ein superspannendes Thema. Das Wort setzt sich aus „Legal Services“ und „Technology“ zusammen und bezeichnet die Digitalisierung der juristischen Arbeit. Dabei sollen einzelne Arbeitsprozesse, aber auch ganze Rechtsdienstleistungen automatisiert ablaufen. Das ist für alle, nicht nur für Anwälte, eine spannende Herausforderung. Wie oft erledigen wir täglich und wiederholt Dinge, die wir schon am Vortag genauso wiederholt erledigt haben. Da grüßt täglich das Murmeltier.

Es gibt Rechtsgebiete, die lassen sich automatisieren und sind auch schon spannend umgesetzt. Spannend für den Anwalt und auch für den Verbraucher, der dadurch eben einen günstigeren und einfacheren Zugang zum Recht bekommt.

Denkbar sind auch Vereinfachungen in der Vertragsgestaltung, Plattformen, Analyse der Rechtsprechung etc. Einhergehend mit künstlicher Intelligenz können wir Umfang und Nutzen heute noch gar nicht abschätzen.

Für mich in meiner täglichen Arbeit war Legal Tech lange ein Traum. Wir Anwälte denken ja häufig, wir können so vieles und wir können ja auch tatsächlich vieles umsetzen. Was wir aber wirklich nicht können, ist Technologie oder Programmierung. Und ich habe durch einen Zufall über einen Mandanten mein erstes Legal Tech Unternehmen kennengelernt, die sofort verstanden haben, wie ich denke und was ich will und es ist auch heute noch eine tägliche Freude, mit diesen jungen Menschen zusammenzuarbeiten, die ohne Angst und ohne Arg Ideen umsetzen.

Wie wichtig ist ein funktionierendes Netzwerk bei solchen jungen Unternehmen wie Legal Techs und wie kann PR hier helfen?

Ein funktionierendes Netzwerk ist wahnsinnig wichtig, erst recht für Startups. Es gibt so viele gute Ideen und junge Unternehmen, die aber bereits nach einiger Zeit scheitern, weil sie eben nicht mit den richtigen Leuten zusammenkommen, die diese Idee ideell oder materiell unterstützen. Ein Startup ist mehr als nur die Idee.

Die Herausforderung ist die Umsetzung dieser Idee. Und hierfür benötigt man Unterstützung in jedweder Hinsicht. Daher ist die Kommunikation dieser guten Idee so immens wichtig. Und ich erlebe sehr häufig, dass mir Menschen von einer genialen Idee erzählen, die aber über den „Gründertellerrand“ nicht hinausgekommen ist. Ich kenne viele Unternehmen, die viel erfolgreicher wären, hätten sie rechtzeitig eine gute Öffentlichkeit gesucht und auch gefunden.

In einem Interview bei Finanz Business sprechen Sie von einer bevorstehenden Insolvenzwelle in 2021 und erwarten Bewegung auf dem M&A Markt. Inwiefern kann Unternehmern, die auf der Investorensuche sind, gezielte Kommunikation helfen?

Ich gehe in der Tat spätestens ab Mitte des Jahres 2021 von einer großen Insolvenzwelle aus. Das zeichnete sich ja bereits 2019, also noch vor Corona, ab. Die größtenteils sinnvollen Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung haben hier auch im Insolvenzrecht eine große Pleitewelle zumindest abgemildert und etwas aufgeschoben. Gleichwohl wird es bald viele Treffen. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf den M&A-Markt.

Auch kriselnde oder „gescheiterte“ Unternehmen oder Immobilien können für andere einen interessanten Wert darstellen. Es gibt immer Unternehmer, die Dinge anders und manchmal sogar besser machen. Hier ist es aber ähnlich wie bei den Startups. Die Öffentlichkeit muss von diesen Unternehmen wissen. Und es ist überhaupt keine Schande, darüber zu berichten, dass ein Unternehmen in der Krise steckt. Es gibt immer interessierte Unterstützer und Investoren, die in jeder Phase helfen können. Aber auch hier bedarf es einer guten Öffentlichkeitsarbeit. Nach und nach bedienen sich auch die Insolvenzverwalter einer gewissen Öffentlichkeitsarbeit, weil eine gute PR für Insolvenzverwalter noch wichtiger ist als für andere, zum anderen dient die Öffentlichkeitsarbeit einer Insolvenz dazu, über das Unternehmen zu berichten, damit es dann zu einer hoffentlich auch für die Mitarbeiter spannenden Transaktion kommt.

Ich kenne viele Beispiele guter Kommunikation, die eben auch zu guten Investitionen sogar außerhalb einer Krise geführt haben.